Saskias Leben mit chronischer Depression

Interview mit Saskia über ihre Depression

Depression und Selbstständigkeit? Dass das geht und auch noch super funktioniert, zeigt uns Saskia mit ihrer Kreativwerkstatt. Sie hat sich mit der Kalle Co Werkstatt einen Traum erfüllt. Kalle ist ein Support-Ort. Hier wird kreativ gedacht, gemacht, gedruckt, produziert und zusammengebracht. Saskia unterstützt Kreative bei der Umsetzung ihrer Ideen und bringt mit Vorliebe Künstler und Musiker zusammen. Es gibt zahlreiche Aktionen für verschiedene gute Zwecke, Workshops und Events, die alle etwas gemeinsam haben. Zusammen etwas Größeres schaffen und Gutes tun. Hier trifft sich die GoodGang.

Film

Der schleichende Prozess der Depression

S: Ich habe seit 2009 die Diagnose Depression und ich glaube, dass das aber schon immer ein Bestandteil in meinem Leben war. Nur hat es da angefangen, dass ich in die Behandlung gegangen bin.

CW: Dann würde ich gerne noch weiter in die Vergangenheit springen, weil das ja ein langer Weg ist bis man die Diagnose Depression bekommt.

S: Ja, auf jeden Fall, da ich ja immer schon so gewesen bin. Ich kannte das ja gar nicht anders. Es gab für mich aber einen Auslöser in meinem Leben. Ich habe in der Werbung gearbeitet und es gab für mich eine krasse Arbeitsbelastung und ich habe da sehr viel an Zeit und Liebe investiert. Privat hatte ich einen Schicksalsschlag, weil meine Mama auch depressiv ist und versucht hat sich das Leben zu nehmen. Ich habe da alles an Energie gegeben, um die Situation zu koordinieren, zu helfen und da zu sein. In dem Moment als ich wusste es ist alles save, bin ich zusammengebrochen.

Da kamen Angstzustände mit rein und komplette Unfähigkeit aus dem Bett aufzustehen. Somit war mir jetzt klar, dass ich dran bin. Das war auch ungewohnt, weil ich sonst immer der Mensch war, der allen geholfen hat. Ich war im Fokus und was ich brauchte? Ich habe keine Ahnung gehabt, aber definitiv Hilfe. Dann bin ich in die Klinik gegangen, weil es nicht mehr anders ging. In der Klinik muss man dann seinem Therapeuten versprechen sich nichts anzutun, weil man sonst in eine geschlossene Einrichtung gehen muss. Einfach aus Selbstschutz. In der Zeit bist du dann von morgens bis abends unter professioneller Aufsicht. Es geht um dich, aber du bist auch geschützt vor allen möglichen Einflüssen von außen.

Mir war alles zu viel. Ich konnte nicht mehr sehen, nicht mehr riechen und keine zwei Sätze zusammenhängend lesen. In dieser Zeit konnte ich wieder von null anfangen und habe Medikamente genommen, die ich, Gott sei Dank, sofort vertragen habe und die mir auch geholfen haben. Ich kenne da leider auch Geschichten, wo Patienten jahrelang auf der Suche nach der richtigen Dosierung der Medikamente waren. Da kann ich mich total glücklich schätzen, weil das ein dauerhafter Bestandteil meines Lebens ist.

Man kann sich das so in Schüben vorstellen. Mal habe ich welche und mal habe ich keine. Deshalb rate ich auch immer zur Prophylaxe, damit man lernt auf sich selber zu hören und Belastung wahrzunehmen, weil ich das nicht zurückspulen kann. Es ist ausgebrochen und meine Belastungsgrenze ist seitdem verschoben. Meine Leistungsfähigkeit, die ich jahrelang hatte, werde ich nie so zurückkriegen. Mein Körper reagiert jetzt anders als vorher auf Stress. Und sagt einfach: „Ich stehe jetzt nicht mehr auf und kann jetzt nichts mehr sehen“. Diese Krankheit hat ganz neue Grenzen aufgemacht. Es ist ein dauerhafter Bestandteil, mit dem ich umgehe.

CW: Wir können uns das gar nicht vorstellen, das Bett nicht mehr verlassen zu wollen. War das ein schleichender Prozess, dass du immer weiter abgebaut hast oder war es irgendwann so, dass dein Körper sich das dann einfach geholt hat was er gebraucht hat?

S: Im Grunde schleichend, ganz langsam und unbemerkt. Dann gab es halt irgendwann den Punkt der Erkenntnis, wo ich einen Zusammenbruch mit einer Panikattacke hatte. Da wurde mir bewusst, wie lange zuvor das eigentlich schon angefangen hat. Wie viel ich eigentlich dauerhaft in einer Schleife war, in der ich zu leisten hatte und keine Ruhe bekommen habe und ohne Ruhe eben wieder eine neue Schleife angetreten habe, also mich wieder um andere gekümmert habe. Die persönliche Situation mit meiner Mutter, die eben in dem Jahr, wo es mir später dann auch schlecht ging und ich in die Klinik gegangen bin, einen Suizidversuch unternommen hat. Für andere zu funktionieren war das Wichtigste.

Als ich da dann das Gefühl hatte die Welt bricht nur halb zusammen, habe ich dann mitgemacht und mein Körper ist einfach ausgegangen und hat mir einen Riegel vor alles geschoben. Dann haben Freunde und Familie mich zum Neurologen gebracht und mussten mich sehr stark davon überzeugen in eine Klinik zu gehen, weil ich dachte mein Job wäre weg, mein Leben wäre weg und ich mache allen nur Mühe und Ärger. Du bist eine Last, also all die Gedanken, die nur du subjektiv empfunden hast, die niemand ansatzweise nachvollziehen kann, man selber auch nicht. Es gibt einen ganz großen Drang nach Entlastung, weil man möchte, dass das aufhört. Das hängt stark mit der Suizidalität zusammen, weil es einfach unfassbar anstrengend ist. Es ist wie ein Dauerlauf und man muss da selber einen Weg für sich finden fit zu sein, wenn man wieder in so einen Dauerlauf geht.

CW: Kannst du versuchen dieses Gefühl irgendwie greifbar zu machen? Ich habe da auch mal so halb drin gesteckt. Für mich war es zum Beispiel schon zu schwierig zu entscheiden, ob ich nun Marmelade oder Käse auf mein Brötchen möchte. Hast du ein Beispiel, wie es sich anfühlt, wenn du tief in der Depression steckst?

S: Es ist tatsächlich schwer und es ist ganz wichtig zu sagen, da es für jeden anders ist. Es ist ein Feld was relativ unerforscht ist aus neurologischer Sicht. Was viele vereint in diesem Gefühl ist, dass du kraftlos bist. Es ist tatsächlich unmöglich aufzustehen oder sich selber zu versorgen. Vor allem wirkt es sinnlos. Warum auch sich selber zu essen machen, weil es eh egal ist, ob man verhungert. Es klingt dramatisch, wenn ich das selber sage und es mir gut geht. Da merke ich den Irrsinn, der hinter diesen Gedanken steckt, aber es sind solche Gedanken, die du dann hast. Bei mir persönlich ist es dann so, dass ich in so eine krasse Selbstablehnung rutsche. Es gibt viele Depressive, die von einer Gefühlslosigkeit sprechen, die können nichts mehr spüren.

Ich persönliche habe mir angeeignet, dass wenn der Druck hochgeht und die Depression sich breit macht, ich mich dann sehr in Gedankenschleifen bewege, die mich selbst auseinander nehmen. Es gibt Krankheiten, die führen dazu, dass du dich körperlich verletzt und es gibt Krankheiten, wo du dich seelisch verletzt. Da bin ich die ganze Zeit damit beschäftigt mich fertig zu machen, mich klein zu reden und wirklich innerlich gegen mich anzugehen.

 

Klinikaufenthalt mit Therapie bei Depressionen

S: Ja, alleine hätte ich das nicht gemacht.

CW: Erzähl mal von dem ersten Tag in der Klinik. Man ist dann ja noch so kraftlos und alles ist anstrengend. Eine Treppe zu gehen, ist super anstrengend. Also du stehst mit deinen Freunden und deiner Familie vor der Klinik und dann?

S: Ich war immer noch in dem Modus, dass das Leben ja jetzt vorbei ist und ich war benebelt. Ich konnte das auch gar nicht wirklich wahrnehmen. Ich habe mich nicht dafür entschieden dort reinzugehen, sondern mich dagegen entschieden gegen meine Angehörigen anzukämpfen. Meine Familie, der Arzt und meinen Freund. Dann gehe ich da halt hin, mir egal, entscheidet ihr. In dieser Zeit war die Struktur gut, weil dir das genau an dem Punkt hilft, was du selber nicht mehr kannst: Entscheidungen treffen. Alles ist eine Entscheidung. Stehe ich auf, putze ich mir die Zähne, duschen? Ich war erstmal rausgeholt aus meinem Hamsterrad zuhause, dem ich schon lange nicht mehr entsprechen konnte. Wieder die kleinen Sachen zu machen wie essen, aufstehen und vielleicht einen Termin zu haben, weil man eine Gesprächstherapie hat.

Okay zu sein, wenn du jeden Tag unter den Menschen bist, die dir ähnlich sind. Das nimmt dir auch zusätzlich Last von der Außenwahrnehmung, die es gesellschaftlich gibt. Ich war da immer sehr klar mit, dass ich das nicht groß verheimlichen möchte und mir nicht zusätzlich eine Schuld dafür gebe. Auch das ist schwer. Für viele macht es genau den Unterschied erstmal aus dem Kontext rauszukommen, wo dich Leute dafür verurteilen. Wo Leute das nicht ansatzweise verstehen können, wenn du dich nicht duschen kannst. Mir war auch klar, dass Medikamente eine Krücke sein können, aber keine permanente Lösung. Es gibt viele Hilfsmöglichkeiten für sich selber und jeder soll individuell für sich entscheiden. Aber um sich so eine Situation aufzubauen, wo es einem so gut wie möglich gehen kann. Mir hat die Kombination aus Therapie und Medikamenten geholfen.

CW: Was hast du da bekommen?

S: Ein Antidepressiva, Melafaxin 300mg am Tag. Das ist eher antriebsfördernd und da gibt es unterschiedliche Ausführungen dieser Medikamente. Zum Beispiel gibt es Patienten, die eher zu Angststörungen neigen und viel aufgekratzter sind und mehr Ruhe brauchen. Es gibt aber auch Patienten, die fühlen sich sediert und die haben keine guten Erfahrungen damit gemacht. Ich habe dieses Medikament morgens genommen, um den Antrieb zu bekommen aufzustehen. Ich nehme überhaupt keine persönlichkeitsverändernden Nebenwirkungen wahr. Für mich ist das eine Entscheidung, hinter der ich ganz klar stehe.

CW: Wie oft musst du sie nehmen?

S: Täglich

CW: Wie lange geht dann so eine Therapie bei einer Depression?

S: Kann man nicht pauschalisieren. Es gibt natürlich Abrechnungsmodi von der Krankenkasse. Dann kannst du eine kurze oder eine lange Therapie bekommen, die kann sich aber immer wieder verlängern. Je nach Grad der Erkrankung gibt es da unterschiedliche Ausführungen und Modelle. Jemand mit einer Angststörung hat häufig einen Auslöser in der Kindheit gehabt oder, wie bei mir, in der Persönlichkeitsstruktur verankert. Es gibt da unterschiedliche Elemente, die damit reinspielen. Zum Beispiel eine Veranlagung, einen Auslöser… je nachdem was die Ursache ist, so ist dann die Therapie angepasst.

Leben mit der Depression nach der Therapie

CW: Kannst du dich an den letzten Tag erinnern als es dann so weit war, dass du die Klinik verlassen hast?

S: Nicht den konkreten Tag, aber ich kann mich an das Gefühl erinnern zum ersten Mal glücklich zu sein nicht aufgegeben zu haben. Das ist genau das Gefühl, was dir in einer starken Depression um die Ohren fliegt. Der Wunsch aufzugeben, das schaffe oder möchte ich nicht. Ich kann nicht mehr. Dich irgendwann wieder daran zu erinnern, dass es großartig ist Chancen zu haben, am nächsten Tag aufzustehen, Pläne zu schmieden, sich auf etwas zu freuen und das ist immer wieder krass. Das passiert mir auch immer wieder und ich verlier dieses Gefühl. Schaffe ich nicht. Niemals. Aber dann mit Behandlung, Zeit, Rücksichtnahme und Selbstpflege kommt der Punkt wieder wo man sagt: Es lohnt sich!

CW: Hattest du Angst als du die Klinik, diese schützende Umgebung, verlassen hast?

S: Ja total. Aber ich hatte meine erste Klinikerfahrung und das ist ja inzwischen schon 10 Jahre her. Alles klar, ich war da drinnen und jetzt ist es wieder so, dass ich alles kann. Dieser Enthusiasmus, wenn dein Lebenswille zurückkommt, ist dieses krasse Streben nach Empfindungen, das kann man so missen. Ich habe mich total beflügelt und selbstständig gemacht und habe viel mehr reflektiert, was ich brauche und was ich will, aber auch das schützt einen nicht, dass es wiederkommt.

Für mich war es krass, als ich bemerkt habe, dass es keine Theorie ist, die ich lerne, denn wenn ich das einmal weiß und denke ich bin sicher, kommt es wieder. Es wird mich immer begleiten. Wenn ich gut mit mir bin, mit den Umständen und allem, was ich dafür tun kann, dann geht’s mir tendenziell eher gut, aber die Krankheit läuft mit. Mal leiser mal lauter. Das eben zu erkennen, dass das nicht die eine Lektion im Leben ist, ist irgendwie alles cooler als vorher. Das war eigentlich viel härter, weil die Perspektive darauf zu haben, dass das für immer ein Bestandteil von mir sein wird, lässt ja keine Kuhle. Nein, es ist nichts Schönes. Aber das ist was, was einen sehr bei einem selbst hält.

CW: Dadurch bist du also gezwungen viel mehr auf dich aufzupassen. Was tust du konkret, wenn du merkst dieser düstere Begleiter wird jetzt lauter?

S: Ich habe ja mein komplettes Leben damit verbrüdert. Im Sinne von einem Job einzurichten, der mich und meine Befindlichkeiten respektiert und der mir die Freiheit gibt zu sagen, morgens gehen die Augen auf und ich habe das Gefühl, dass ich es nicht schaffe, dann muss ich nicht. Alleine mir dieses Geschenk gemacht zu haben, nimmt schon so viel Druck aus der Sache. Also aus einer Situation herauszugehen, in der viele was erwarten, aber ich darf entscheiden mit mir den Deal zu machen, wie weit ich heute gehen kann. Das ist wichtig, total relevant und fühlt sich aber wie Luxus an. Das ist auch die Freiheit, wie ich arbeiten wollen würde, wenn das nicht mit einer Krankheit zusammenhinge. Das ist einfach etwas was sich so selbstbestimmend anfühlt, dass ich das total genieße.

CW: Wenn du jetzt mal zurück denkst in die Zeit, wo dir das so schwer fiel. Hätte dir da jemand gesagt, dass du in einem Jahr selbstständig bist und eine eigene Werkstatt hast?

S: Ne, ich kann das jetzt auch immer noch nicht glauben. Obwohl ich jetzt viel näher an mir bin, bin kein Mensch, der so weit nach Vorne guckt, sondern tatsächlich wie geht’s mir jetzt. Was passiert gerade vor mir, um mich herum, neben mir? Was brauche ich gerade? Was will ich gerade geben? Was für Ideen habe ich? Das ist immer das, womit ich arbeite und worin ich lebe. Das finde ich auch super so.

CW: Du bist ja ganz starker Supporter für alle möglichen Leute. Würdest du sagen, dass das stark mit deiner Krankheit, deiner Depression zusammenhängt?

S: Ja, ich glaube schon. Diese Entwicklung der letzten Jahre hat mir so meine Prioritäten deutlich gemacht. Ich finde das so schön und erfüllend, wenn man miteinander ist. Wenn man sich gegenseitig unterstützt, weiterhilft, motiviert. Gerade aus der eigenen Erfahrung heraus, dass ich auf meinem Weg, wo ich Dinge ausprobiert habe und immer so häufig Menschen getroffen habe, die immer wussten warum Dinge nicht funktionieren. Aber wo sind denn die, die an mich glauben? Deshalb kann ich doch trotzdem scheitern, aber das ist doch das Schönste, die Möglichkeiten zu sehen und dem nachzugehen und da Gefühl, Energie, Zeit und Know-How reinzulegen. Und dann einfach abzuwarten und zu schauen was daraus passiert. Das ist einfach was, was ich selber gern erfahre und deshalb helfe ich auch so gerne und bin ein Teil davon, wenn andere das haben. Ich glaube ich bin da jemand mit dem man sich gut verbünden kann, weil ich durchaus aus sage, wenn ich aus meiner professionellen Perspektive Dinge anders machen würde, oder da Vorschläge hätte oder in eine Diskussion gehen möchte. Aber ich bin auf jeden Fall immer auf Augenhöhe und stehe da und sage immer: „Wenn du losgehen willst, dann gehe ich mit dir.“

CW: Richtig schön. Manchmal nimmt man sich selber ja gar nicht so ernst und verharmlost das. Auf was achtest du bei dir?

S: Also erstmal sollte man schon schätzen, wenn man überhaupt eine Verbindung zu sich selber hat, denn auch das ist nicht jedem inne liegend. Wenn man Gefühle in sich wahrnimmt, so Ängste, Stress, Abneigung, sollte man die ernst nehmen. Sich darüber zu freuen sich in der Lage zu befinden das wahrzunehmen. Offen sein, keine Angst haben in den Austausch zu gehen und sich vielleicht einen Moment Zeit zu nehmen, darüber nachzudenken, wer denn die geeignete Vertrauensperson wäre. Denn Menschen reagieren unterschiedlich und machen sich natürlich auch Sorgen. Da muss man jemanden finden, der auch so entspannt wie irgend möglich über solche Themen reden kann. Sodass man sich sicher fühlt, wenn man Ängste zugibt. Ansonsten bin ich ein absoluter Freund davon nicht erst zu einem Profi zu gehen, wenn man kurz vor oder schon mitten in einer Diagnose steckt, sondern auch da kann man präventiv arbeiten. Wenn man den Verdacht hat, dass die Seele aus dem Gleichgewicht geraten ist. Geh lieber zu früh hin, als dann wenn es zu spät ist und ein extremer Behandlungsbedarf besteht. Das gilt für die Seele, wie für alles andere am und im Körper.

 

Panikattacken und Suizidgedanken

CW: Du hast ja auch von richtigen Panikattacken gesprochen. Gab es da ganz bestimmte Ängste? 

S: Ja da gibt’s auch verschieden Auslöser. Ich hatte eine am Arbeitsplatz, das war dann nochmal wo der Körper sich wohl so dachte:“Soo, du bist nicht mehr alleine, alle gucken, du kannst es nicht mehr vertuschen, brich doch mal am Schreibtisch zusammen. Alle nur so: „Was hat sie denn jetzt?“ und sie wusste nicht was sie hat, aber sie hatte einfach nur ganz große Angst vor was auch immer. Dann hatte ich das eine Zeit lang mit der Angegriffenheit meiner Sinne. Wenn ich zum Beispiel so überlastet war, dass ich irgendwie in einem Einkaufszentrum war und auf einmal habe ich zu viel gesehen, zu viel gehört, zu viel gerochen. Auf allen Sinnen war so viel los, dass mir die Bündelung dessen vollkommen verloren gegangen ist. Das heißt es war eine einzige Überwältigung und Überforderung und das endet dann eben auch in einem totalen Schockmoment und einer Paniksituation des Körpers.

Auch da hatte ich keine konkrete Situation und trotzdem hat mein Körper gesagt, dass es nun genug ist. Du kannst auch nicht mehr laufen. Ich habe das auch nach einem total anstrengenden Tag. Ich merke, ich werde dann unruhig. Sehr bewegungsintensiv und ich habe so kleine Ticks. Dann kippt das in Angst um und dann verschiebt sich das bei mir so, dass ich Dinge zählen muss. Ich weiß nicht, was mir mein Körper dann damit sagen will, aber es ist so eine Art Beruhigung und Fokus um runterzukommen. Verrückt, aber gehört dazu.

CW: Das klingt total schlau. Etwas Einfaches suchen, was auf jeden Fall geht, um dann so den Fokus umzulenken. 

S: Ja, gerade jetzt, wenn wir da so drüber reden, ergibt das für mich auch Sinn. Man fragt sich dann selber was das nun soll und es ergibt wirklich Sinn, weil es mir hilft die Unkontrollierbarkeit dieser Empfindung in diesem Moment kontrollierbarer zu machen, zu kanalisieren und erträglicher zu gestalten. Das ist ja relativ lieb was ich da mit mir mache.

CW: Wie war denn für dich die Erkenntnis, dass du nicht weißt wann und warum die Panikattacken kommen?

S: Genau, das ist ja auch etwas was häufig die Panikattacken noch verstärkt. Die Angst vor der Angst. Gott sei Dank bin ich davon nicht so stark betroffen, aber ich kann das total nachvollziehen, was das für ein Stress ist und wie anstrengend das ist diese dauerhafte so intensive Angst zu empfinden. Es ist echt ein ganz ganz schlimmes Gefühl und du denkst dir wirklich so, dass war es jetzt. Jetzt bin ich durch. Das hält mein Körper nicht aus. Ich kriege hier einen Herzanfall. Also für mich gibt es keine klassischen Auslöser oder Situationen, aber meine Belastungsgrenze von der Leistungsfähigkeit her hat sich verändert. Ich arbeite total gerne, total viel und das ist ja auch immer so ein Klischee, aber ich muss meine individuellen Grenzen einhalten und das ist bedingt durch die Erkrankung, eine für mich wichtig auferlegte Prophylaxe, aber auch, weil Stress nicht nur zu psychischen Erkrankungen führen kann, sondern auch dein Herz-Kreislaufsystem nachhaltig schädigen kann. Die Prophylaxe, die ich durch diese Krankheit gelernt habe begünstigt auch andere liebevolle Haltungen mir selber gegenüber. Also Rücksichtnahme auf das, was ich kann und nicht kann.

CW: Hast du damals auch mit den Gedanken gespielt dein Leben zu beenden, weil für dich alles keinen Sinn mehr hatte?

S: Ja, Suizidalität ist bei mir auf jeden Fall ein Bestandteil und es ist mir auch, in dem Moment wo es mir gut geht, so wie jetzt, total wichtig da mit Abstand und Klarhei ganz offen drüber zu reden. Denn, je tiefer du in eine depressive Episode rutscht, desto logischer wird ein solcher Gedankengang für dich. Das heißt, jetzt denke ich: Wow, wie kann das sein, das ist schlimm und ich brauche da Hilfe, aber wenn es dir selber schlecht geht und du krank bist, ist das logisch für dich, das zu tun, weil du denkst, dass du es nicht schaffst und nicht gesund werden kannst und dir niemand helfen kann und du eine Belastung bist. Das sind dann Freunde, diese Gedanken und deswegen muss ich mir selber sagen, wenn es mir schlecht geht, dass das keine Lösung sein kann, sondern dass es ein Hilfeschrei für mich ist, um mir Hilfe zu suchen und ich möchte auch, dass es anderen so geht. Sprecht es aus!

CW: Hast du es damals geschafft jemandem zu sagen, dass du Hilfe brauchst?

S: Ich war schon immer ein sehr komunikativer Typ und ich habe von Anfang an versucht das zu äußern. Ich wollte immer verstanden werden. Ich wollte immer, dass mein Gegenüber versteht wie schlimm das eigentlich ist und dass es besser wäre für mich, wenn es mich nicht mehr gibt und dass ich das alles nicht hinkriege. Natürlich kann dein Gegenüber das nicht nachvollziehen. Hast du es nicht selber, kannst du es nicht nachvollziehen. Und zu lernen, dass ich die volle Verantwortung dafür übernehmen kann, was ich sage, aber keinerlei Aktien darin habe wie und ob es verstanden wird. Es ist aber trotzdem ein therapeutischer Moment mir gegenüber, es mir Wert zu sein, es laut zu sagen und eben nicht mich damit alleine zu lassen und das nur in meinem eigenen Kopf durchzuspielen, sondern dem Gegenüber zu sagen, ich weiß, es ist schwer das zu verstehen, häufig verstehe ich das selber überhaupt gar nicht, aber es ist so. Und ich kann das gerade nicht besser erklären, aber mir geht es schlecht. Und diese Stärke zu haben ist eine wichtige Zutat, denn wenn dir was abhanden kommt, dann ist es Stärkefür dich selber zu haben. Du wirst ja immer kleiner und kleiner und das ist immer schon so ein Bestandteil, seine Grenzen formulieren zu können, klar zu machen und auch zu verteidigen. Das ist eine ganz wichtige Erfahrung.

Tipps für Angehörige und Freunde

CW: Hättest du nochmal Tipps für Angehörige oder Freunde. Ich kann das so nachvollziehen, wenn da einer sagt: „Wie du kannst nicht aus dem Bett aufstehen? Stell dich nicht so an und steh halt auf!“ ja so ungefähr. Hast du da einen Rat für Angehörige? Wie soll ich mich verhalten, wenn ich einem lieben Menschen mit Depression helfen möchte?

S: Ich habe da ein extrem tolles Umfeld und zwar können die das aushalten. Also das ist genau das, was ich auch machen muss. Ich weiß nicht wann das weggeht und weiß nicht wie das weggeht, aber ich weiß das es irgendwann weggeht. Mit mir zusammen in dieser Ruhe das einfach auszuhalten, dass das jetzt so ist und dass ich es nicht ändern kann, ist das größte Geschenk, die größte Hilfe, dass Beruhigendste, was man mit mir machen kann. Neben mir zu stehen und zu warten und mich in den Arm zu nehmen und nicht zu diskutieren zu hinterfragen, und Verständnis zeigen. Das sind nämlich genau die Dinge die Betroffene selber auch nicht verstehen und wo häufig der Druck noch nach oben schnellt. Man fühlt sich extrem schuldig, denn man will das ja nicht und es ist keine freiwillige Entscheidung so zu sein. Und wenn dich dein Gegenüber akzeptiert und anerkennt, dass das jetzt gerade so ist, wie es ist, dann ist das sehr hilfreich. An dieser Stelle danke an alle, die das können, das ist eine enorme Leistung. Natürlich sollte man aber auch professionelle Hilfe wahrnehmen und nutzen. Es ist eine Krankheit und da braucht man einen Arzt für. So einfach.