Stephanie ist paralympische Sportlerin

Stephanie Grebe

Wir haben Stephanie in Uetersen besucht. Sie ist paralympische Tischtennisspielerin. Wir sind über Instagram auf sie aufmerksam geworden und waren gleich von ihr fasziniert. Stephanie ist 1987 ohne Hände und rechten Unterschenkel geboren, was sie aber nie gebremst hat. Tischtennis ohne Hände? Wie soll das denn gehen? Aber an Stephanie sehen wir wieder, dass wir uns unsere Grenzen selbst setzten.

Trailer

 

Kindheit von Stephanie Grebe

CW: Fangen wir vor deiner Tischtenniskarriere an.

S: Ja genau. Also angefangen hat es mit dem Kindergarten, da ich erst in einen behindertengerechten Kindergarten kommen sollte. Dann hat mein Vater sich aber mit der Erzieherin durchgesetzt und ich bin in einen ganz normalen Kindergarten gegangen. Anschließend auf eine normale Grundschule und dann ging das Theater weiter. Ich sollte auf eine Gesamtschule gehen, weil das mit der Körperbehinderung dann wohl besser gewesen wäre. Es war schwierig, aber wir haben es dann doch geschafft, dass ich auf ein Gymnasium gehen kann.

Schon früh habe ich viel Sport gemacht. Ich war immer Fußball spielen und wollte das auch eigentlich professionell machen, aber nicht in einer Mädchenmannschaft spielen. Fußball ja, aber Mädchenmannschaft nein: Blöd. Dann habe ich überlegt was ich noch machen kann und dachte an Karate, aber davon hat man mir aufgrund meiner Beinprothese abgeraten, weil es schwierig werden könnte.

Wie kam es zum Tischtennis?

CW: Dann erzähl doch mal, wie das alles mit dem Tischtennis angefangen hat?

S: Tischtennis habe ich nebenbei gespielt, aber es war nie das, was ich machen wollte. Im Urlaub wurde ich beim Tischtennisspielen angesprochen und mich hat jemand gefragt, ob ich in einem Verein spielen würde. Ich habe nein gesagt. Trotzdem suchte ich noch eine Sportart und als wir zuhause waren, habe ich mich im nächstgelegenen Verein angemeldet. So ist das dann gekommen. Mein Verein hat dann mit Christian Bode gesprochen und ihn darauf aufmerksam gemacht, dass da jemand mit Handicap spielt.

(Christian Bode gehörte damals zum Tischtennis-Trainerstab des Deutschen Behindertensportverbands.)

Da habe ich noch mit beiden Armen gespielt. Christian und ich haben ganz viel miteinander gearbeitet bis ich von Berlin nach Hamburg gezogen bin. Dann haben wir uns aus den Augen verloren und erst 2012 bei meinen ersten Paralympics in London wieder getroffen. Er als Pastor und ich als Spielerin. Das war dann nochmal was ganz Besonderes. Da lief es leider nicht so gut für mich, weil ich 4. geworden bin. Das ist wie einen goldenen Blumentopf zu gewinnen. Dann 2016 die Paralympics in Rio, wo wir uns wieder getroffen haben. Es lief ja ganz gut mit dem 2. Platz.

CW: Du hast gesagt, dass du vorher schon Tischtennis gespielt hast, mit beiden Armen? Also hattest du da schon eine Prothese?

S: Ne

CW: Wie hast du das denn dann gemacht?

S: Ich habe einfach den Schläger in beide Arme genommen und habe dann so gespielt. Das war natürlich nicht so besonders doll, da man eine relativ kurze Reichweite hat und ich eh kurze Arme habe. Und als es dann alles etwas professioneller wurde und ich gesagt habe, dass ich mir das vorstellen kann und es tatsächlich etwas intensiver betrieben habe, haben wir nach einer Möglichkeit gesucht so einen Schläger, eine Armprothese anfertigen zu lassen. Ich habe das dann bei meinem Orthopädiemechaniker gemacht, der eher der Tüftler ist. Es soll nicht schön sein, sondern funktional. Tja, das hat er dann gemacht und seitdem spiele ich mit der Prothese. Wir haben zwar viel ausprobiert, aber es blieb dann doch dabei. Und so funktioniert es ganz gut.

CW: Wie war es dann als du diese Prothese bekommen hast? 

S: Ja, weil es ja einfach einen Unterschied gibt, ob man den Schläger am Arm oder Bein hat. Den Ballkontakt fühlt man am Arm. Hört sich ein bisschen komisch an. Die Vibration überträgt sich auf den Arm, das hat man bei so einer Armprothese erstmal nicht. Wobei sich das irgendwann einspielt. Ich merke jetzt auch wenn der Ball direkt auf den Schläger kommt. Die Übertragung ist da relativ gut. Aber es ist natürlich nochmal was anderes, weil so eine Armprothese ja mehr oder weniger befreit und es gibt einen viel weiteren Radius, den ich erreichen kann. Ich kann mich wesentlich besser mit der Armprothese am Tisch bewegen. Das gibt einfach ein Stück Freiheit am Tisch und das ist schon besser als wenn man mit beiden Armen spielt.

CW: Diese Prothese ist ja so ein ganz individuelles Ding.

S: Ja wie gesagt, ich habe ja schon mehrere direkte Anfertigungen für mich ausprobiert. Das ist wie ein Paar Lieblingsschuhe. Man hat es und man möchte es nicht wegschmeißen und behält es so lange bis es irgendwann kaputt ist. So ist das dann auch bei einer Armprothese. Man gewöhnt sich daran so sehr und stellt sich auch auf die Prothese ein. Es gehört dann zu einem. Zwar nicht körperlich, aber die Armprothese ist für mich wie für andere die Schuhe oder der Schläger, das gehört zusammen, gehört zu mir und das gehört zu meinem Spiel.

Schulzeit und Umgang mit anderen Menschen

CW: Ich will noch mal in deine Teeniezeit zurückhüpfen. Fußball ja aber in einer Mädchenmannschaft war doof? Warum?

S: Ja ich habe damals schon mehr Jungs als Freunde gehabt. Wenn das Wetter gut war haben wir jeden Nachmittag auf dem Bolzplatz verbracht. Ich hatte immer mega viel Spaß beim Spielen, aber Mädchenmannschaft war mir dann halt zu Mädchen. Ich war eher das robustere Mädchen. Ich habe auch nie mit Barbies gespielt, sondern eher mit Lego oder Matchbox- Autos. Ich hatte auch nur Cousins und dann kommt man da halt so rein in die Welt der Jungs. Deshalb war mir die Mädchenmannschaft zu tussig und nicht robust genug, weil ich alles wegbolzen wollte. Eigentlich totaler Quatsch. Somit habe ich gesagt, dass die Mädchenmannschaft nichts für mich ist und habe relativ schnell Abstand genommen.

CW: Du hast ja auch eine Beinprothese.

S: Richtig.

CW: Wie war es damit Fußball zu spielen? 

S: Ne, das ging alles mit einer Alltagsprothese, wodurch sie dann natürlich etwas schneller kaputt ging. Aber wenn man sich bewegt ist das halt so. Von daher gab es immer nur eine Beinprothese.

CW: Du warst Schülermentorin in deiner Jahrgangsstufe. Erzähl mal darüber, was ist das genau?

S: Bei uns war das so, dass die oberen Klassen zwei Ansprechpartner wählten, die den neuen 5. Klassen alles zeigten. Bei Fragen und Problemen waren wir da. Das war immer ganz nett, weil man den etwas Kleineren dann ja auch helfen konnte und man fühlte sich ja auch gut dabei. Die haben dann vielleicht die Angst vor meinem Handicap verloren. Viele denke: „Oh Gott, denjenigen spreche ich aber nicht an, der hat ein Handicap“, aber so konnte man das dann relativ schnell umgehen.

CW: Wie bist du sonst mit dem Gefühl umgegangen, dass die Leute sich nicht trauen dich anzusprechen?

S: Eigentlich bin ich ein relativ offener Mensch. Das heißt ich habe mit meinem Handicap überhaupt keine Probleme. Ich denke, wenn man der Außenwelt transportiert, dass das eigentlich eine ganz normale Situation ist, gehen die Leute damit irgendwann besser um. Es gibt immer Kinder, die gucken und es wäre schlimm, wenn sie es nicht tun. Ich finde es ist das Einfachste zu fragen, weil das Thema dann durch ist. Kinder vergessen relativ schnell und gehen damit auch echt locker um. Bei Erwachsenen ist das dann tatsächlich schwieriger, weil die nicht fragen oder ihren Kindern sagen: „Guck das Kind nicht an, dass hat eine Krankheit“. Wenn ich das dann höre, gehe ich häufig hin und erkläre, dass ich gar keine Krankheit habe. Da frage ich immer: „Okay du bist erwachsen, meinst du wirklich das ist der richtige Weg?“. Es ist zwar anders gelaufen, aber es ist jetzt so und ich komme mit meinem Leben trotzdem klar. Alle meine Freunde, die mich länger als drei Wochen kennen, sehen es halt nicht mehr. Das ist relativ einfach und das ist das Thema wirklich gegessen. Ich hatte damit generell nie Probleme.

CW: Ich glaube auch das kommt darauf an wie man das zurück spiegelt, aber wenn du dann hingehst und sagst: „Hey ich bin ganz normal und habe eine Prothese“, funktioniert es besser.

S: Ja, das ist halt so. Für mich ist das nicht anders und ich kenne es nicht anders, so zu sein wie ich bin. Für alle anderen ist es nun mal anders. Ich denke, wenn man selber mit einer Selbstverständlichkeit da rangeht und sagt: „Hier bin ich!“, reagieren die Menschen anders. Aber es ist nun so und wir können es nicht ändern, akzeptiert mich oder akzeptiert mich nicht. Es gibt immer Leute, die einen nicht mögen, dass geht mir ja auch so. Die Leute lasse ich dann in Ruhe und gehe auf die Leute zu, die ich mag. So ist es bei mir nichts anderes, ich habe zwar eine Behinderung, aber bin deshalb kein anderer Mensch.

CW: Hast du viele Situationen gehabt, in denen du gemobbt wurdest?

S: Ja, ich hatte mal eine in der Schule. Der hat gefragt, ob meine Mutter in der Schwangerschaft Tabletten genommen hätte. Das war nicht so schön. Gerade wenn es um die Eltern geht, fühlt man sich persönlich immer etwas angegriffen. Da war meine Lehrerin dann aber zur Stelle und hat den erst einmal rund gemacht und hat sich danach entschuldigt. Aber sonst bin ich eine Person, die so offen ist und da so offen mit umgeht und direkt auf die Menschen zugeht, sodass mir das vollkommen egal ist. Somit existiert wenig Angriffsfläche zum Mobben. Aber das liegt ja in meiner Person.

CW: Ich glaube nämlich auch, dass du mit deiner offenen Art so dagegenwirkst.

S: Aber ich gehe doch auch nicht auf andere zu und sage: „Eh, du hast aber keine Zähne im Mund, bist dick oder hässlich“. Kinder lästern immer und sind die gemeinsten Wesen auf dieser Welt. Das ist aber lange noch kein Grund jemanden zu verurteilen oder einzuschätzen, den ich nicht kenne. Das macht man nicht und sollte keiner machen. Ich habe zwar ein Handicap, ein körperliches, aber ich habe noch lange kein Ding an der Murmel. Das verwechseln viele. Sicherlich gibt es welche mit einer geistigen Behinderung und da ist es dann auch schwieriger, je nach dem wie stark die Ausprägung ist. Das heißt noch lange nicht, dass ich lebensunfähig bin oder nicht klarkomme.

Tischtennis, jetzt wird es ernst

CW: Voll schön. Dann hüpfe ich mal zu dem Punkt zum Tischtennis, wo du gemerkt hast, dass es doch eine ernstere Angelegenheit wird. Wie schwierig war es denn dann den richtigen Verein zu finden, also du gehst da einfach hin und sagst: „Hallo ich möchte Tischtennisspielen!“ Haben die dich da schon irgendwie komisch angeguckt und gedacht, oh wie machen wir denn das?

S: Ja es war ein bisschen schwierig. Bei meinem ersten Verein in Berlin durfte ich immer mittrainieren, das war auch alles kein Problem. Punktspiele sollte ich da allerdings nicht machen. Wieso, weshalb, warum auch immer – Ich weiß es nicht. Ich habe auch nie eine Erklärung dafür bekommen. Ich wurde immer hingehalten und mir wurde gesagt: „Naja du bist noch nicht so gut und solltest es nicht machen“. Daraufhin habe ich irgendwann den Verein gewechselt, weil das vollkommener Quatsch war. Punktspiele im Kinder- oder Jugendbereich kann eigentlich jeder machen. Dann habe ich nochmal den Verein gewechselt und bin da in die ganz normale Mädchenliga gekommen. Es hat wunderbar funktioniert. Ich weiß gar nicht ob ich das jemals irgendwie richtig bemerkt habe, dass es ernst wurde. Im Behindertensport hat man mich immer als Talent angesehen. Ich muss dazu sagen, dass ich etwas trainingsfaul war und es von daher relativ lange gebraucht hat bis ich tatsächlich mal zu meinem richtig großen Event fahren durfte. Aber ansonsten ist man da so reingewachsen. Man rutscht da so rein und weiß gar nicht wie man da wieder rauskommen soll. Es ist wie so eine Sucht.

CW: Was war denn dein erstes großes Event?

S: Oh, mein erstes großes Turnier, was ich spielen durfte, war in Stuttgart 2009. Da habe ich das allererste Mal ein internationales Weltranglisten-Turnier gespielt. Das war natürlich alles mega aufregend und ich bin in der Vorrunde gleich raus. Bin dann aber am Ball geblieben. Meine Eltern haben viel mitgemacht, denn ohne Sponsoren und ohne Geld wird es halt schwierig. 2010 habe ich mich weiter durchgekämpft. 2011 bin ich dann zu meiner ersten Europameisterschaft gefahren und bin mit dem 3. Platz nach Hause gekommen. Also war alles super. Wenn man dann einmal den „Durchbruch“ geschafft hat, ist dies auch kein Problem mehr. Aber der Weg bis dahin ist anstrengend.

CW: Was würdest du sagen, hat dich da so durchhalten lassen? 

S: Das ist eine gute Frage. Einmal ist es die Familie, die so hinter einem steht und sagt: „Komm, mach, du hast das Talent“. Das sagen dir ja auch die Trainer und die haben mir das auch oft gesagt. Dann einfach dieser Spaß an der Freude, denn ich mache das wirklich, weil ich darauf Lust habe. Ruhm und Anerkennung gibt’s nebenbei. Das ist eigentlich das, warum man es macht. Vom Geld her nicht, da es da auch erstmal nicht viel gab.

Die ersten Paralympics und die erste große Enttäuschung

CW: Nun deine allerersten Paralympics: Kannst du dich da noch an den Tag bevor es nach London ging, erinnern? Was hast du da gemacht? 

S: Das war eigentlich ein relativ normaler Tag. Ich bin aufgestanden, hatte meine Sachen gepackt und gefrühstückt. Ich musste an dem Tag noch meine Bachelorarbeit abgeben und habe die zur Uni gebracht. Meine Eltern haben dann eine Überraschungsfeier für mich mit Feuerwerk und Essen organisiert. Ein toller Abschied. Und dann ging es am nächsten Tag los. Wir sind direkt nach London geflogen. 

CW: Warst du doll aufgeregt?

S: Ja, so die ersten Spiele sind immer was ganz Besonderes. Man reist das erste Mal in der offiziellen Kleidung. Das ist natürlich schon aufregend, weil man doch auf dem Flughafen erkannt wird, wenn da groß Germany draufsteht. Aber so die richtige Aufregung kam dann erst beim Reinlaufen am Eröffnungstag im Stadion. Die Spannung steigt bei 80 Tausend Menschen im Stadion.

CW: Wie ging es dann für dich weiter?

S: Man kommt ja ganz normal erstmal am Flughafen an. Dann kriegt man schon mal seine Akkreditierung und all sowas, damit man da auch erkannt wird. Mit dem Teambus gehts ins paralympische Dorf. Das war mit relativ hohen Sicherheitsbedingungen versehen, denn in London war ja gerade alles etwas schwierig. Von daher gab es viele Kontrollen und Sicherheitsbedingungen. Anschließend beziehst du dein Haus, denn jedes Land hat ein Haus. Da ich 2012 ja das einzige Mädchen war, war das ganz angenehm, da ich mein Einzelzimmer hatte. Dann trainiert man ein bisschen und guckt sich das alles genau an. Wo gehe ich essen, wo kann ich dies, wo kann ich das, wo kann ich meine Wäsche waschen? Vielleicht nochmal zum Sport? Wo ist die Wettkampfhalle? Da läuft eigentlich jeder Tag bis zu dem Wettkampftag gleich ab. Man sieht da nicht so viel und das ist auch alles nicht so spannend, sondern man fokussiert sich dann auf das Ereignis im Leben oder in diesen vier Jahren. Da ist auch nicht mehr außer essen, schlafen und trainieren.

CW: Ich habe rausgehört, dass es nicht so ganz gelaufen ist, wie du es dir vorgestellt hast?

S: Ja, es fing relativ gut an. Mein erstes Spiel habe ich gleich gewonnen. Beim zweiten Spiel war es dann so, dass ich verloren habe. Im Halbfinale musste ich gegen jemanden spielen, gegen die ich sehr ungern gespielt habe. Bei sechs Teilnehmern ist das halt immer ein bisschen doof. Und dann habe ich das Halbfinale unglücklich verloren. Im Endeffekt war es relativ klar, aber es war super unglücklich. 4. Platz ist dann halt so…ich musste dann ja noch ein Spiel um Platz 3 machen und das habe ich dann auch verloren. Das war dann schwierig, aber im Nachhinein nicht zu gewinnen war das beste was mir passieren konnte, damit man nicht gleich so in die Situation kommt beim nächsten Mal was zu verteidigen.  4. Platz ist okay. Aber danach war es für mich doch relativ schwierig, dass zu verarbeiten. Ich habe auch viel geweint und habe ein knappes Jahr gebraucht bis ich das komplett verarbeiten konnte. Für Rio war es das Beste: Ich musste nichts verteidigen und konnte frei aufspielen. Das machte die Sache etwas einfacher.

CW: Was war denn das für ein Gefühl? Warst du enttäuscht von dir selbst? Mit was hast du da so lange gehadert?

S: Allgemeine Enttäuschung. Ich glaube, dass ich schon lange genug trainiert hatte. Man kann immer mehr trainieren. Also wenn man nicht gewinnt, kann man immer mehr noch trainieren und ich hätte es mit Sicherheit auch machen können, aber ich glaube es kam halt alles so zusammen. Das erste Spiel um den 3. Platz möchte man auf gar keinem Fall verlieren. Ich habe gut gespielt, aber für mich waren es die ersten Paralympics und ich habe gegen erfahrene Spieler gespielt. Das merkt man erst, wenn man das zweite Mal dort spielt und die gleichen Erfahrungen mit anderen jungen Spielern macht. Ich war noch nicht mal enttäuscht, sondern einfach nur bitter traurig. Nach dem Spiel sind wir noch einmal rumgelaufen und die Fans waren auch alle super lieb. Auf einmal war ich der totale Publikumsmagnet. Keine Ahnung warum. Auf jeden Fall haben mir alle zugejubelt. Und wenn man dann draußen ist, ist es vorbei, man bricht zusammen und es hat echt lange gedauert bis ich mich wieder gefangen habe.

Aufgeben kommt nicht in Frage

CW: Was würdest du sagen, wie du das wieder hingekriegt hast?

S: Es geht einfach nur wenn man weiter macht. Also ich hatte dann auch überlegt aufzuhören oder überhaupt nochmal anzutreten. Ist es mir das überhaupt wert? Schaffst ich das jemals? Aber im Endeffekt habe ich mich entschieden weiter zu machen und in den nächsten Jahren lief es dann ja super. Dann die Europameisterschaft, wo ich wieder Dritte geworden bin. Weltmeisterschaft 2014 bin ich dann Vizeweltmeisterin geworden. In Rio lief es dann weiter. Wenn man so einen Tiefpunkt hat, muss man sich aufrappeln weiter zu machen und das kann man nur wenn man sagt: „Okay ich habe daran totalen Spaß und ich kann ja auch was sehen von der Welt.“ Denn es ist ja nicht das alltägliche Leben, sondern es ist der Sport. Wenn man da dranbleibt und sich das immer wieder vor Augen hält, ist das eine einfache Sache sich da wieder herauszuziehen.

CW: Das kann ich mir gut vorstellen, denn das ist auf einmal eine krasse Situation. Man hat sich wahrscheinlich ja im Vorfeld schon ausgemalt wie das so sein könnte.

S: Genau. Das läuft ja immer anders und man stellt sie vor, wie das Dorf sein wird, wie die Stimmung sein wird und vieles mehr. Man kennt es noch nicht, ist überwältigt und kommt mit diesen ganzen Eindrücken überhaupt nicht so klar. Das ist dann beim ersten Mal alles sehr viel auf einmal. Die meisten sind nicht in der Lage das komplett gleich zu verarbeiten. Mir ist das irgendwie alles egal was da ringsherum passiert, ich konzentriere mich nur auf mein Spiel. Die paralympischen Spiele sind ja auch dafür da, um Eindrücke zu gewinnen und mitzunehmen. Das finde ich, ist schon eine ganz gute Sache und ich habe es mir auch nicht nehmen lassen da zur Einlaufeier zu gehen oder Eröffnungsfeier. Viele haben ja darauf verzichtet, aber ich habe da gesagt: „Naja warum denn?“. Das ist so eine Sache, die mache ich alle vier Jahre oder auch nicht, je nachdem wie man da halt so dabei ist. Und sowas lasse ich mir dann nicht entgehen. Ob ich da nun eine Nacht weniger schlafe oder nicht, schlafen tue ich da sowieso nicht in der Zeit.

CW: Was bedeutet dieser Sport für dich?

S: Es ist ein zweites Leben. Ich habe mein normales Leben mit Arbeit, Familie und Freunden. Der Sport gibt einem auch ganz viel. Klar, man hat auch Spaß daran, aber der gibt unglaublich viel Anerkennung. Was man vielleicht im Beruf nicht so erfährt, unabhängig von einer Behinderung oder Ähnlichem. Was ich da erreiche, dass erreiche nur ich. Niemand anderes und das ist noch etwas womit man sich selber belohnen kann.  Man kann vielleicht die Familie damit stolz machen, die einem immer den Rücken freihält und man kann auch ein bisschen was zurückgeben. Es ist mittlerweile wie so ein zweites Leben was ich nicht aufgeben kann.

Grenzen sind nur in unserem Kopf?

CW: Du spielst Tischtennis ohne Hände und räumst auch noch sämtliche Medaillen ab. Was bedeutet denn das Wort „Grenzen“ für dich?

S: Es gibt immer Grenzen. Das ist ja ganz logisch. Man steckt sich selber Grenzen, probiert aus, guckt wie es läuft und stellt im Nachhinein fest, ob es geht. Tischtennis ohne Hände? Wie soll das denn bitte funktionieren? War für mich nie irgendwann eine Fragestellung, sondern ich habe es einfach gemacht und es funktionierte und von daher war es halt keine Grenze. Das ist ja wie mit anderen Sachen auch, man probiert was aus und merkt: Ich kann es oder kann es nicht. Dann habe ich da meine Grenze gefunden und kann aber sagen ich habe es probiert. Manchmal dauert es ein bisschen länger. Dann ist es keine Grenze, sondern ein nur Hindernis. Da muss man halt selber abwägen können. Ich bin jemand, der das offen angeht und der da wirklich so sagt, komm machen wir jetzt und wenn es funktioniert dann ist super und wenn nicht dann Shit happens. Dann ist es halt so, denn es gibt ja immer etwas was man nicht kann.

CW: Gab es Menschen bzw. Situationen in denen Menschen dir gesagt haben du kannst das nicht und das kann nicht funktionieren? Ohne Hände geht das nicht! 

S: Es gibt Viele die sagen: „Oh, die Arme hat keine Hände und geht das denn?“ Aber ich kenne es ja auch nicht anders. Es gibt sicherlich Dinge, die ich nicht kann, aber dafür kann man sich helfen lassen. Alles andere macht man so wie man es gelernt hat. Es gibt immer Menschen, die einen ärgern wollen und irgendwie einen dummen Spruch bringen. Das gibt es aber völlig unabhängig vom Handicap, ob man das nun hat oder nicht. Bei dickeren Menschen wird auch oft darüber gelästert. Entweder man steht darüber und kommt damit klar und sagt: „Schaut euch erstmal selber an und sucht nach euren Fehlern und sucht dann bei anderen Leuten“. Dann ist das keine weitere Frage. Mir war das egal was andere gesagt haben. Ich bin so wie ich bin. Wer mich mag, der kommt mit mir klar und wer mich nicht mag, der kommt mit mir nicht klar.

CW: Wie wichtig war denn da deine Familie? Hast du durch sie dein großes Selbstbewusstsein?

S: Ja das spielt schon eine große Rolle. Von der Familie wird es ja im Endeffekt auch gesteuert. Also meine Eltern haben mich nie als behindertes Kind angesehen. Ja da fehlt was und gut ist. Es geht trotzdem und es gab nie Dinge, die ich nicht machen musste. Ich musste immer machen. Meine Erzieherin im Kindergarten hat damals auch keine Rücksicht darauf genommen. Ich war eine von vielen, nichts Besonderes. Auch wenn man ein Handicap hat, kann man auch eigentlich alles so machen wie andere das auch tun. Ich glaube, dass hilft dann schon ein bisschen weiter, weil man dann ganz anders an die Situation rangeht.

CW: Hast du persönlich für dich Vorbilder, an denen du dich orientierst oder die dich inspirieren?

S: Das ist ja mal sehr schwierig! Also ich habe erstaunlicherweise keine sportlichen Vorbilder. Ich habe nie einen Sportler gehabt und gesagt: „Oh wie der will ich auch mal werden“. Im Endeffekt haben ich ja all das erreicht was ich erreichen wollte. Mehr geht ja fast nicht mehr, außer die Goldmedaille vielleicht mal bei den Paralympics. Im Privaten sind meine Eltern meine Vorbilder. Klingt zwar blöd und langweilig, aber ohne meine Eltern wäre ich nicht da, wo ich jetzt bin. Das muss man sich immer wieder vor Augen führen. Da bin ich meinen Eltern sehr dankbar, auch meinen Großeltern. Ich hoffe, dass ich das an meine eigenen Kindern weitergeben kann.

CW: Fällt dir da eine konkrete Situation zu ein wo sich das richtig bemerkbar gemacht hat und du sagst, dass deine Eltern richtig hinter dir standen?

S: Ja, da gibt’s ganz vieles. Eigentlich bei allen möglichen Sachen. Damals habe ich meinen Führerschein gemacht, wo meine Eltern immer hinter mir standen und mich dazu ermutigt haben. „Wir kümmern uns darum, dass du den bekommst“, haben meine Eltern gesagt. Man muss erst ein paar Auflagen erfüllen, dann muss der TÜV gucken kommen, ob das dann auch so geht. Fahrproben und all sowas. Meine Eltern haben gesagt: „Komm wir machen das und wir stehen hinter dir und wissen, dass du das kannst“. Es gibt halt schon Vertrauen, wenn deine Eltern sagen du kannst das, dann nimmt man das ja auch so an.

CW: Du wirkst bodenständig und ruhig, weil du sagst: „Ja, Vorbilder habe ich nicht“. Wie gehst du denn neue Situationen an, wenn du weißt, dass zum Beispiel der Führerschein bevorsteht?

S: Dann gucke ich erstmal wo ich mir Hilfe holen kann. Mit einem Handicap hat man andere Herangehensweisen als ein „normaler“ Mensch. Ohne Handicap geht ein Mensch in die Fahrschule, meldet sich an und los geht’s. Bei mir war erstmal die Frage, ob ich überhaupt Auto fahren darf. Dann fängt man erstmal an sich zu erkundigen. Wenn man dann Eltern hat, die das mit einem zusammen machen, gibt’s zwar neue Herausforderungen, die aber einfach zu lösen sind. Irgendwann wächst man da mit rein, sodass man das irgendwann alleine machen kann und weiß, wo man sich Hilfe holt. Man versucht sich einen Plan festzulegen und muss da mit Handicap etwas anders rangehen, als jemand ohne Handicap, der weiß wo er sich Informationen ranholt. Bei mir ist es so, dass ich viel mehr ausfüllen muss für das was wir am Ende wirklich wollen. Dann ist es nur ein kleiner Umweg, aber es geht trotzdem.

CW: Du kommst trotzdem da an wo du hinmöchtest.

S: Vielleicht mit ein paar Umwegen und es dauert etwas länger, aber ja. Wenn ich am Ende das habe was ich haben wollte, ist mir das doch egal, ob dass nun zwei Wochen länger gedauert hat.

CW: Ist doch cool sich so in Gelassenheit zu sehen.

Stepahnies Arbeitsalltag

S: Ja dafür haben wir die Bürokratie in Deutschland und die ist gut vertreten, da ich selber auf dem Amt arbeite. Von daher frage ich auch gerne drei Mal nach, ob das bearbeitet wurde und wenn man die Leute dann auf eine nette Art und Weise nervt, funktioniert es dann.

CW: Aha, das ist ja ganz spannend. Erzähl mal ein bisschen von deiner Arbeit. Was machst du?

S: Ich bin Arbeitsvermittlerin im Jobcenter. Was ein sehr abwechslungsreicher Job ist, weil man ganz unterschiedliche Kunden hat, wo jeder eine ganz individuelle Art der Behandlung bekommt. Der eine braucht ein paar Streicheleinheiten damit er auf Kurs kommt. Der andere braucht dann eher die harte Art, weil es sonst nie was wird. Aber es ist manchmal echt anstrengend, weil wir teilweise mehr Sozialarbeiter sind als nachher auch Arbeitsvermittler. Da muss man dann immer den Mittelweg finden, aber das gelingt mir, glaube ich, durch mein Handicap relativ gut mit Schwierigkeiten oder Hindernissen klar kommen zu müssen. Denn viele kommen und beschweren sich, dass es so anstrengend ist, wobei ich ja trotz meines Handicaps hier sitze und wenn das bei mir geht, klappt es auch bei meinen Kunden.

CW: Das ist glaube ich echt cool, wenn du da so eine Ansage machst. Da muss man ja sonst eine richtig gute Ausrede haben.

S: Genau. Es ist so, dass viele dann anfangen Ausreden zu erzählen. Sich in der Kürze was einfallen zu lassen, geht dann nach hinten los und dann reden wir kurz Tacheles und es geht weiter.

CW: Das kann ich mir richtig gut vorstellen.

S: Es gibt auch Kunden, die hassen mich, zurecht, und dann gibt es Kunden, die mich mögen. Mit beiden komme ich klar.

CW: Das ist ja auch schon wie dieser Schülermentorenposten. Du bist ja schon eine Art Mentor, sodass die ihr Leben wieder auf die Kette kriegen.

S: Ja das ist das Ziel von uns. Wenn man im Jobcenter angekommen ist, ist das für viele ganz weit unten. Da reden wir tatsächlich von Existenzängsten und das ja auch völlig zurecht. Viele wollen gar nicht zu uns kommen, sondern schämen sich bis in den Boden. Viele sagen mir, dass sie Angst hatten zu mir zu dem Termin zu kommen. Aber wir beißen nicht, sondern schauen wo der Kunde gerade steht und welche Hilfen wir anbieten können. Es wird ja behauptet, dass man im Jobcenter den ganzen Tag nur Kaffee trinkt, aber so ist es ja nicht. Grundsätzlich gucken wir aber erstmal wo müssen wir überhaupt ansetzen, um wieder an Arbeit zu kommen. Jeder, der bei uns ist, ist halt langzeitarbeitslos also über ein Jahr. Da passiert ganz viel im Privatleben, wenn man ein Jahr nicht arbeitet. Ich möchte da nicht tauschen, mir ist schon nach zwei Wochen Urlaub langweilig.

CW: Deine 3 Tipps, um das Leben wieder auf die Reihe zu bekommen?

S: Man muss mit sich selber im Reinen sein, dass man seine aktuelle Situation akzeptiert so wie sie ist. Dann sich die Hilfe suchen, die man braucht. Therapien oder ein kleiner Schubser durch ein Praktikum und das 3. ist das Durchhalten, da viele motiviert sind und nach drei Wochen feststellen, dass man nicht sofort von 0 auf 100 schalten kann. Völlig nachvollziehbar! Wenn ich 15 Jahre arbeitslos bin, schaffe ich es nicht von heute auf morgen eine 40 Stunden Stelle anzunehmen. Bei einigen funktioniert es, aber die Langzeitarbeitslosen haben keine Tagesstruktur und da kann das nicht klappen. Das ist was ganz Normales und da mache ich niemanden einen Vorwurf. Man schätzt das dann realistisch ein und tut was dagegen

CW: Kannst du sagen warum es dir ein Bedürfnis ist anderen zu helfen? Das hast du ja schon ganz früh gemacht.

S: Ja, ich weiß es nicht, vielleicht ist das eine Krankheit. Kann ja sein das Menschen mit Handicap versuchen anderen zu helfen. Ich nehme mir das nicht vor, aber das kommt einfach. Älteren Personen biete ich gerne meinen Platz im Bus an oder helfe denen über die Straße, aber das ist eigentlich eine Selbstverständlichkeit und Erziehungssache. Aber ob es da nun einen speziellen Grund gibt…es ist halt einfach so.

CW: Hast du dir deinen Job bewusst ausgesucht?

S: Bewusst…tatsächlich bin ich da auch irgendwie so reingerutscht. Das ist nicht mein Traumberuf muss ich sagen, sondern eigentlich wollte ich Rechtsanwältin werden, aber da war ich viel zu blöd in der Schule. Ich bin keine Intelligenzbestie. Ich habe mein Abitur geschafft, aber ich wurde da mehr oder weniger durchgeprügelt und wollte eigentlich was anderes machen, aber ich hatte da den Notendurchschnitt nicht für. Und dann fängt man auch an zu überlegen wo man mit dem Handicap am besten aufgehoben ist. In der freien Marktwirtschaft hat es für mich relativ viele Absagen gehagelt. Ich bin nämlich in meinen Bewerbungen schon offen damit umgegangen, dass ich ein Handicap habe. Ich habe zwar versucht das gut zu umschreiben und gesagt, dass ich alles mache und alles kann. Ein Betrieb zahlt lieber die Strafabgaben, als einen Behinderten einzustellen. Das ist manchmal echt schwierig. Der öffentliche Dienst ist für Menschen mit Behinderung empfehlenswert.

CW: Wie wichtig ist dir denn Eigenständigkeit? Das scheint mir bei dir ein ganz großer Punkt zu sein.

S: Na klar. Ich bin 30 und irgendwann möchte man nicht mehr von seinen Eltern abhängig sein oder vom Staat. Man hat ja einen Plan und meiner war es die Schule zu beenden, Ausbildung/Studium und irgendwann eigenes Geld zu verdienen, sodass ich nicht abhängig bin. Und da guckt man halt wie man es am besten erreicht. Jetzt durch meinen Beruf bin ich finanziell unabhängig und kann mein eigenes Leben führen. Ich muss nicht fragen, ob ich mir das kaufen kann, sondern mache das einfach. Jeder kann das für sich selber entscheiden und daraufhin arbeiten, dass das klappt. Wenn ich das geschafft habe, schafft das jeder andere auch.

Und in Zukunft?

CW: Was sind denn deine Ziele für die Zukunft?

S: Joa, gute Frage. Ich möchte hoffentlich nächstes Jahr schon ein Haus bauen. So wie jeder eine Familie gründen, mit meinem Sport noch ein bisschen weiter machen und dann schauen was karrieremäßig noch möglich ist. Da will man sich ja auch weiterentwickeln. Ich habe ja noch ein paar Jahre bis zur Rente. Da geht noch was.

CW: Strebst du die Goldmedaille an?

S: Wenn es jetzt eine Goldmedaille wird, ist es natürlich so das I Tüpfelchen auf einer Karriere. Aber ich habe in Rio damit auch nicht gerechnet, dass ich da was gewinne. Ich habe mir nichts vorgenommen und bin damit gut gefahren. Ich glaube, wenn man sich nicht vornimmt die Sammlung durch bestimmte Preise zu erweitern, dann ist es einfacher als da mit Erwartungen für den Gewinn der Goldmedaille reinzugehen. Es ist Sport. Im Sport läuft es immer anders als man denkt.

CW: Wahrscheinlich hat man sich vorher dann den Druck so aufgebaut.

S: Ja, wenn man gut drauf ist und man trainiert ist, ist alles möglich an einem guten Tag. Man kann aber auch trainiert werden und einen Scheißtag haben oder die Gegnerin hat einen besseren Tag. Dann ist das halt so. Beim Sport kann man das nicht so beeinflussen und wäre auch schlimm, wenn man das so beeinflussen könnte. Dafür ist es halt Sport. Dafür habe ich das Arbeitsleben was ich relativ gut beeinflussen kann.

CW: Was war denn dein persönlich größter Erfolg egal ob sportlich oder privat?

S: Also ich glaube, wenn man von Erfolg spricht, dann misst man das an seinen sportlichen Erfolgen. Das ist natürlich Rio gewesen, aber auch 2014 als ich die Weltmeisterschaft gespielt habe für die ich eigentlich gar nicht qualifiziert war und mich über eine Wildcard dort hin gespielt habe. Und dann geht man da so als Vizeweltmeisterin raus. Zumal ich da auch eine Schulterverletzung hatte und es gesundheitlich kein leichtes Jahr war. 2016 war es privat ebenfalls echt bescheiden. Wenn man dann mit so was rausgeht, kann man das dann nicht in Worte fassen. Ich war echt sprachlos und das war ich 2014 und 2016 ziemlich.

CW: Erinnerst du dich an eine krasse Situation, wo du wirklich dachtest ich schaffe das nicht?

S: Nein. Die Situation gab es nie. Es gibt immer Situation wo man sich fragt warum ich und ob der liebe Gott nichts besseres zu tun hat, als mich zu „bestrafen“? Aber das ist dann tageweise und vieles trifft aufeinander. Dann war die Schule oder Arbeit blöd oder man hat sich mit irgendjemanden gestritten. Es gab nie einen Punkt wo ich gesagt habe, dass ich nicht mehr möchte. 

CW: Wenn du sowas hast, wo du trotzdem traurig bist oder nicht mehr rauskommst, was machst du dann?

S: Dann heule ich und gehe schlafen. Und am nächsten Tag wird dann halt geguckt wie es läuft. Ich höre Musik, hab hier meine beiden Schmusekater, die auch immer da sind, aber im Endeffekt: Hinfallen, Nase abputzen und wieder aufstehen. Das ist halt das Leben. Man hat auch mal einen Scheißtag.

CW: Würdest du dich selber als stark bezeichnen?

S: Hm…ich bin kein schwacher Mensch, aber für mich gibt es auch Situationen wo ich nach außen straight wirke und es im Inneren ganz anders aussieht. Ich bin schon in meinem Leben gefestigt und weiß was ich will und setze es meistens um. Es ist schon gut so wie es ist.

CW: Wünschst du dir manchmal anders zu sein?

S: Da habe ich mich letztens erst mit meiner Mama drüber unterhalten. Ne ich glaube nicht. Manchmal wäre es echt schön alle Gliedmaßen zu haben und nicht mehr angeguckt zu werden, obwohl mir das großenteils egal wäre. Die Vorteile, die durch mein Handicap ermöglicht wurden, darf man nicht verachten. Ich bin zu den Paralympics gekommen und ich weiß nicht ob ich das als normaler Sportler ohne Handicap jemals geschafft hätte. Oder ich fahre ein Auto, habe einen Führerschein und einen gut bezahlten Job – ich weiß nicht ob man das ohne Handicap hätte. Ich glaube nicht. Ich habe da schon gute Vorteile und die muss man auch nutzen. Nicht ausnutzen, aber ich kriege das was mir zusteht. Viele sagen, dass ich immer so viel Geld bekomme und dann biete ich diesen Menschen meine Behinderung an und die sollen das damit erstmal ausprobieren. Danach können wir weiterreden. Klar habe ich ein Handicap und ich werde mein Leben lang Einschränkungen haben, aber mir macht das nichts aus, weil ich es nicht anders kenne. Andere ziehen nur ihre Vorteile raus, weil die so eine verschränkte Sichtweise haben. Schön ist das, aber tauschen möchte ich mein Leben mit niemanden.

CW: Sehr cool. Wie sieht dein Alltag aus?

S: Ja, ich mache alles was möglich ist. Meine Eltern sind auch notfalls da und helfen mir, oder Freunde auf Arbeit. Wenn ich Hilfe benötige, hole ich mir die dann. Ich bin mir da nicht zu schade für, weil es gibt halt Sachen, die ich nicht kann. Jeder weiß, dass ich ein Handicap habe und ich brauche mich da nicht zu verstecken. Wenn ich Hilfe brauche, kriege ich die. Mein Alltag läuft wie bei allen anderen auch ab.

CW: Kochen, Putzen, Wischen…

S: Na Kochen ist jetzt nicht so mein Ding und ich habe ehrlich gesagt auch eine Putzfrau, die durch die Krankenkasse finanziert wird, weil ich nicht alles so putzen kann wie jemand Normales. Aber gut, ist halt nicht so schlimm, so lang das jemand für mich macht. Wenn man Hilfe braucht und sie bekommen kann, warum soll ich sie dann nicht annehmen? Es ist ja nichts Schlimmes. Ich verzichte nicht auf Hilfe nur weil ich mich nicht traue. Wenn ich gerne etwas hätte, frage ich halt. Dazu gibt’s Hilfe und Menschen sind dafür da. Ich kann ja auch helfen. Das ist ein Geben und Nehmen.

CW: Auf jeden Fall. Hast du für uns einen Buch- oder Filmtipp, wo du sagst, dass hat mich so beeindruckt?

S: Um Gottes Willen. Ich lese nicht und gucke nur so einen Schrott im Fernsehen wie Transformers. Jeder muss sein Ding so machen, so wie es für ihn richtig ist. Jeder hat eine andere Vorstellung vom Leben. 

CW: Wie sieht denn dein perfekter Tag aus?

S: Ausschlafen, was im Moment nicht so möglich ist. Ausgedehntes Frühstück, gerne an der See. Das finde ich immer sehr schön. Ich bin ein Nordseemensch. Bisschen rumbutschern in den Geschäften gucken, bisschen Sport machen und mich dann einfach hinsetzen, vielleicht Glas Prosecco und Leute beobachten. Das wäre mein perfekter Tag.